Leise bröckelt der Stahl…

Die Reaktoren Beznau 1 und 2 wurden für eine Betriebsdauer von 30 Jahren geplant, mit der Option, sie auf 40 Jahre zu verlängern, falls rentabel und sicher.
 
Man darf nicht vergessen, dass man 1969 noch nicht viel von der Alterung von Stahl unter Neutronenbeschuss in einem Reaktor wusste. Da Ingenieure manchmal gute Ideen haben, haben sie 1969 einige Stücke Stahl in der Qualität der Wände des Reaktordruckbehälters in den Reaktor gehängt, um zu sehen, wie schnell der Stahl versprödet. Damit man den Reaktor stilllegen konnte, wenn diese zu stark versprödet würden. So wollte man auf der sicheren Seite sein in der Frage, ob man den Reaktor 30 Jahre, oder allenfalls doch 40 Jahre lang betreiben konnte.
Eine wirklich gute Idee!
 
2009, nach den maximal möglichen 40 Betriebsjahren, wurde das letzte Referenzstück Stahl im Reaktor 1 entfernt. Die Sprödbruchreferenztemperatur, die angibt wie spröde der Stahl ist, muss möglichst tief liegen. Der Stahl erreichte in der bruchmechanischen Prüfung eine Sprödbruchreferenztemperatur von 89 Grad, der Grenzwert in der geltenden Ausserbetriebnahmeverordnung liegt bei 93 Grad.
 
Der Stahl vom Reaktordruckbehälter von Beznau 1 lag 2009 sehr knapp unter dem Grenzwert für die Ausserbetriebnahme.
 
Die nächsten Prüfungen konnten nicht mehr auf ein Prüfstück aus dem Reaktor zurückgreifen, weil es keine Prüfstücke mehr gab, weil niemand mit einer Betriebsdauer von mehr als 40 Jahren gerechnet hatte.
 
Darum wurde ab 2010 die Sprödigkeit nicht mehr gemessen, sondern berechnet. Und siehe da: Der Grenzwert wurde überschritten. Laut den Berechnungen des ENSI, siehe untenstehende Tabelle des ENSI, erreichte die Innenwand des Schmiederings C im Reaktordruckbehälter von Beznau 1 bereits nach 36 Betriebsjahren den Grenzwert von 93 Grad. Nach 45 Betriebsjahren werden 95 Grad erreicht, nach 54 Betriebsjahren 96 Grad. Aber so lange dürfte Beznau 1 gar nicht betrieben werden, denn laut Wortlaut der Verordnung muss er aber Erreichen des Grenzwertes von 93 Grad, also ab dem Jahr 2006, „unverzüglich ausser Betrieb genommen werden“.
Das ENSI tat dann hochoffiziell das, was eine staatliche Aufsicht niemals tun darf: Es ergriff für die Axpo Partei, und änderte die Berechnungsmethode. Mit der neuen Berechnungsmethode des ENSI von 2012 lag die Sprödbruchreferenztemperatur unter dem 2009 gemessenen Wert, unter den 2010 berechneten Werten, und das ENSI attestierte der Axpo, dass Beznau 1 unbegrenzt weiterlaufen dürfe.
Das ENSI sagt nun, Beznau 1 müsse erst ausser Betrieb genommen werden, wenn die Sprödbruchreferenztemperatur in einem Viertel Wanddicke erreicht wird, nicht, wenn sie auf der Innenwand überschritten wird. Selbst wenn „in einem Viertel Wandstärke“ gilt, wird dort gemäss der ENSI Tabelle von 2010 nach 54 Betriebsjahren der Grenzwert von 93 Grad erreicht. Länger als bis 2023 dürfte Beznau 1 auch nach dieser Argumentation nicht betrieben werden. Wobei der Grenzwert von 93 Grad nur gilt, wenn keine weiteren Schwächen im Stahl vorhanden sind, was aber hier nachgewiesernermassen durch die tausenden sandgefüllten Blasen nicht gegeben ist.
Bei der Präsentation des ENSI im März 2018, als es die Wiederinbetriebnahme von Beznau 1 nach drei Jahren Stillstand genehmigt hatte, wusste man:
 
1) Der Grenzwert der Sprödbruchreferenztemperatur von 93 Grad wurde bereits 2006 in der Innenwand erreicht oder überschritten, gemäss Angaben des ENSI, siehe Tabelle. Seither versprödete der Stahl durch Neutronenbeschuss weiter.
2) Die Sprödigkeit des Stahl verbessert sich nicht, wenn man einfach die Berechnungsmethode ändert. Es widerspricht allen Grundsätzen der Ingenieurwissenschaften anzunehmen, dass wenn 2009 in einer bruchmechanischen Prüfung 89 Grad erreicht wurden, man nun annehmen darf, dass sich das sich nach weiteren 11 Jahren Neutronenversprödung verbessert hat. Das ist im Wortsinn Aberglaube.
 
3) Zusätzlich wusste man, dass im Stahl des Reaktors unzählige Blasen mit Sandfüllung existierten, über 900 Blasen in der Grösse von 5 mm und grösser, einige tausend Blasen mit unter 5 mm Grösse. Dadurch wurde die Stabilität des Stahls weiter geschwächt.
4) Nimmt man 1), 2) und 3) zusammen, ist heute sicher, dass der Reaktordruckbehälter die in der Ausserbetriebnahmeverordnung geforderte Festigkeit nicht mehr hat. Beznau 1 läuft mit dem Segen des ENSI illegal.
 
5) Gegen den illegalen Weiterbetrieb des Reaktors Beznau 1 hat bis heute niemand geklagt.

Wo Wasserstoff überhaupt noch ein Thema ist

Die Entscheidung zwischen Batteriestrom oder Wasserstoff als Antrieb für künftige Strassenfahrzeuge ist eigentlich schon lange zugunsten von Batteriefahrzeugen ausgefallen.
Nur schon, weil Wasserstofffahrzeuge dreimal mehr Strom verbrauchen für dieselbe Leistung.
Eigentlich.
Aber das würde bedeuten, dass sich jeder und jede sein Fahrzeug zuhause oder an seiner Arbeitstelle oder im Einkaufszentrum aufladen könnte, und damit die heute bestehende Infrastruktur von Tankstellen, Raffinerien und Rohrleitungen überflüssig würde.
Darum passiert das, was in solchen Fällen immer passiert:
Die künftigen Verlierer einer Entwicklung, die heute noch gross und stark sind, konkret aus der Oel- und Gasbranche, lobbyieren aus allen Rohren, um sich auch in Zukunft ein grosses Stück vom Kuchen abschneiden zu können.
So kommt es, dass auf EU-Ebene Milliarden für ein Wasserstoffprogramm gesprochen werden, und in der Schweiz schon seit über 15 Jahren ein Wasserstoff-Förderprogramm Millionen vom Bund erhält, um mit diesen Millionen einen Lastwagen und zwei Tankstellen mit Wasserstoff betreiben zu können.
Zudem sollen Kraftwerke ihren überschüssigen Strom in Wasserstoff umwandeln, und diesen in den bestehenden Erdgasleitungen zu den Tankstellen pumpen.
Alles aus dem einzigen Grund, den heutigen Tankstellen und Gasleitungen eine rentable Rolle für die Zukunft zu sichern.
Es ist Unsinn, Wasserstoff für Autos oder Lastwagen einsetzen zu wollen, die Ueberlegenheit batteriegetriebener Fahrzeuge ist zu gross.
Wasserstoff macht für Fahrzeuge nur dort einen Sinn, wo ein Stromnetz fehlt.
Wasserstoff macht zudem für Flugzeuge und Schiffe viel Sinn, denn auf dem Meer und in der Luft fehlen grundsätzlich Ladestationen. Das heisst, sie müssen ihren gesamten Energievorrat mitnehmen können. Hier ist Wasserstoff im Vorteil, wegen seiner hohen Energiedichte.
Daher Ja zur Wasserstoffanwendung dort, wo sie Sinn macht, und Nein zum Verpulvern von Fördermillionen für Wasserstoffprojekte, wo Wasserstoff nie konkurrenzfähig sein kann, weil dafür dreimal mehr Strom aufgewendet werden muss als für batteriegetriebene Fahrzeuge.
Weshalb es noch so wenig wasserstoffgetriebene Schiffe gibt, ist hingegen ein Rätsel für mich. Die Technologie existiert bereits, man müsste bloss noch die Schiffe umrüsten oder neu bauen.
Vielleicht ist dort die Verhinderungspolitik der Fossilindustrie noch zu erfolgreich.
Die Verbesserung durch wasserstoffbetriebene Schiffe wäre massiv. Heute stammt ein grosser Teil der Luftschadstoffe und des CO2 aus der globalen Schifffahrt.
Die Umrüstung der Luftfahrt auf Wasserstoff liegt allerdings noch etwas weiter in der Zukunft. Hier gibt es erst fliegende Prototypen, und noch keine normalen Passagierflugzeuge mit Wasserstoffantrieb. Aber diese Herausforderung sollte zu lösen sein.

Erneuerbarer Umbau bringt neue Arbeitsplätze

NWA fordert seit langem einen viermal schnelleren Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion in der Schweiz, um den Atomausstieg und Kohleausstieg wie geplant hinzukriegen. 

 

Eine neue Studie der ZHAW im Auftrag der SES zeigt, dass in der Schweiz bei einem viermal schnelleren Zubau von Photovoltaikanlagen Arbeitsplätze für 14’000 Monteure und 2’500 Planer geschaffen würden.

Gleichzeitig beschloss heute die GV der Meyer Burger in Thun, dass in Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt eine Solarzellenfabrik, und in Freiberg in Sachsen eine Solarmodulfabrik gebaut werden soll. Beide Fabriken starten mit 400 MW pro Jahr im 2021, ansteigend bis 5 GW pro Jahr. 

Die früher bestehende Solarindustrie in Europa wurde durch die Subventionspolitik Chinas zerstört, wodurch China im Solarbereich heute einen Weltmarktanteil von 94% hält. 

Dank Meyer Burger und seinen geduldigen Aktionären hat Europa erstmals seit Jahren wieder eine hochklassige Solarzellen- und Solarmodulproduktion, gefördert vom Green Deal der EU und den betroffenen Bundesländern. 

Wären die Bedingungen und die Förderung in der Schweiz besser, würden diese Fabriken in der Schweiz gebaut, aber unsere Politik bleibt tendenziell feindlich eingestellt gegenüber einem massiven Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion in der Schweiz. Bei der erneuerbaren Energie scheint das Arbeitsplatzargument nicht zu ziehen, das doch sonst bei jeder Gelegenheit gebracht wird. 

In diesem Zusammenhang erinnere ich gerne an den kürzlichen Beschluss des Bundesrates, nochmals 412 Millionen Franken an die europäische Atomforschung inklusive Iter zu zahlen. Eine empörend hirnrissige Geldvernichtung!

Man stelle sich vor, der Bundesrat würde für die Schweizer Solarbranche 412 Millionen Franken sprechen. Dann würde die Meyer Burger Fabrik in Thun gebaut, nicht in Ostdeutschland.

Meyer Burger erhält von seinen Aktionären nur 165 Millionen Franken neues Geld, um die zwei Fabriken in Ostdeutschland zu bauen. Das sind 40% dessen, dass der Bundesrat sinnlos in der europäischen Atomforschung verpulvert. Es ist zum fremdschämen!

https://www.swissinfo.ch/ger/studie–solar-offensive-koennte-14-000-neue-arbeitsplaetze-schaffen/45893872

https://www.meyerburger.com/de/unternehmen/medien-center/news/standort-entscheid-meyer-burger-will-eigene-produktion-von-solarzellen-und-solarmodulen-in-sachsen-anhalt-und-sachsen-aufbauen/