Das Stromgesetz will den Atomstrom bis 2035 durch erneuerbare Energien ersetzen, ebenso den Zusatzbedarf für Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen. Das Gesetz verhilft dem Solarstrom in der Schweiz endlich zum Durchbruch.
Rudolf Rechsteiner
Das Stromgesetz steht von zwei Seiten unter Druck: Die Landschaftsästheten stören sich daran, dass in der Schweiz Windturbinen gebaut werden dürfen. Sie interessiert nur das Landschaftsbild, obschon die Klimaerhitzung dafür sorgt, dass nichts in den Landschaften so bleiben wird wie es bisher war.
Und natürlich die alte Atomlobby. Exponenten aus der SVP und der Verhinderer-Club «Freie Landschaft Schweiz» stören sich, dass billige Solarstromanlagen die AKW verdrängen werden. Es wird für die AKW-Betreiber schwierig, teuren Atomstrom zu verkaufen, wenn Solarstrom und Windenergie zu viel tieferen Preisen ins Netz fliessen.
Neue Ausbauziele, Stromgemeinschaften, Speicher
Das Stromgesetz beendet endlich die zehnjährige Blockade der erneuerbaren Energien. Der Solarstromanteil soll von heute 6 TWh (10%) bis 2050 auf 45 TWh (50% des erwarteten Verbrauchs) steigen, darin eingeschlossen auch Kraftwerke mit Biomasse und Windenergie. Schweizer Solardächer könnten eigentlich für sich allein den Landesverbrauch decken. Aber es genügt eben nicht, «theoretisch» von Februar bis November genug Strom zu haben.
Für die Versorgungssicherheit braucht es auch einige alpine PV-Anlagen, etwas Windenergie (mit viel Strom im Winterhalbjahr) und vor allem: mehr Speicher. Dazu dient nicht nur der mit den Umweltverbänden abgesprochene Ausbau von 16 Wasserkraftwerken (zumeist Aufstockungen von bestehenden Stauseen), sondern auch Batterien, Wärmespeicher und Biomethan aus Wasserstoff.
Speicher werden von doppelten Netzgebühren befreit (endlich!). Vorgesehen ist auch eine Vielzahl «lokaler Energiegemeinschaften» (LEG), die mit dezentraler Eigenproduktion und dezentralen Speichern die Netze entlasten und die Versorgungssicherheit erhöhen.
Photovoltaik sichert Restwasser
Der Durchmarsch der Photovoltaik ist bereits in vollem Gang. Jede Woche gehen in der Schweiz über 1000 neue Anlagen ans Netz. Produktionsseitig wird so pro Jahr «ein halbes AKW Mühleberg» durch Solarstrom ersetzt. Dazu kommen neue Energiesparprogramme der Netzbetreiber. Mit besseren Motoren und Heizungen liesse sich fast die Hälfte des heutigen Endverbrauchs einsparen. Das Gesetz ist ein Kompromiss. Aber die Belastung der Landschaft hält sich in Grenzen. Auch WWF und Pro Natura sagen Ja. Und laut Bundesrat Rösti sollen alle Gemeinden selber entscheiden, ob sie einen neuen Windpark wollen oder nicht. Die demokratischen Rechte bleiben intakt.
Mit dem neuen Gesetz werden die alten Atomkraftwerke bis 2035 überflüssig. Man kann sie abschalten und dann verschwindet – endlich! – das Grossrisiko eines folgenschweren Atomunfalls, von den radioaktiven Abfällen ganz zu schweigen. Aber die Photovoltaik wird es auch erlauben, die geltenden Restwasser-Bestimmungen endlich einzuhalten und Gewässer zu renaturieren. Auch kleine Wasserkraftwerke werden kaum mehr gebaut werden. Sie sind schlicht zu teuer und weisen ein schlechtes Sommer/Winter-Profil auf. Mehr Solardächer ermöglichen so eine Entlastung der Landschaft und bessere Lebensräume für Fische und Krebse.
Das ist gut so. Darum ein kräftiges Ja zum Stromgesetz.