Deutsches Bundesministerium sorgt sich über uralte Schweizer Atomkraftwerke
Tolerante Kollegen können zu einem GAU führen
Der GAU in Fukushima vor 10 Jahren hatte unter anderem seine Ursache in einer Sicherheitskultur, wo Kollegen ihre Kollegen wohlwollend kontrollierten.
Explosion im AKW Daiichi bei Fukushima
Kompromisse beim Bau
Die Gefahr durch Tsunamis ist in Japan seit über 1’200 Jahren bekannt. Es gibt uralte Mahnsteine mit der Inschrift: „Baue nicht unterhalb dieses Steins“.
Die Reaktoren 1 bis 4 waren auf 35 Meter über Meer geplant. Weil die Wasserpumpen von General Electric damals nur eine Förderhöhe von 11 Metern schafften, wurden die Reaktoren 1 bis 4 auf 10 Metern über Meer gebaut. Der Tsunami von 2011 war dann 14 Meter hoch. In den Reaktoren 1 bis 3 und im Kühlwasserbecken von Reaktor 4 kams zum GAU, und 500’000 Menschen mussten evakuiert werden.
Ignoranz während dem Betrieb
Bereits in den Siebzigerjahren forderten Ingenieure, die Notstromdiesel und Kühlsysteme besser gegen Erdbeben und Tsunamis zu schützen. Ab 2002 gab es zwanzig Sitzungen von Parlamentariern mit der Betreiberfirma Tepco zum Thema, 2007 wurde der verbesserte Schutz gesetzliche Vorschrift. Die Tepco ignorierte alles, geschützt von den Kollegen in der Aufsichtsbehörde.
Es gibt einige Parallelen zwischen Japan und der Schweiz: Den hohen Stand der Ingenieurskunst und die Tatsache, dass sich die Spezialisten der Nukleartechnik alle kennen und Kollegen sind. Daraus entstand eine zu grosse Nähe zwischen den Betreibern der Atomkraftwerke und der Aufsichtsbehörde, die sie eigentlich kontrollieren sollte.
Auch bei uns werden beim Reaktor Beznau 1, dem ältesten Atomreaktor der Welt in Betrieb, ausgewiesene Probleme schöngeredet. Beim Bruch des Grenzwertes zur Sprödigkeit wird neu berechnet bis es passt, und vorgeschriebene Prüfungen zu Korrosionsschäden werden nicht durchgeführt.
Besser wärs, das ENSI würde seine Aufsichtspflicht ernst nehmen, seinen Kollegen gründlicher auf die Finger schauen, und den Reaktor Beznau 1 umgehend stilllegen lassen.
Keine Ladenöffnungen in Fukushima
NWA fordert externe Sicherheitsüberprüfung des Reaktors Beznau 1
Heute wurden wieder Mängel zum Reaktor Beznau 1 bekannt, dem ältesten zivilen Kernreaktor der Welt, der noch in Betrieb steht. 1969 bis 1992 fehlte ein Notstromdiesel, der von 1992 bis 2017 wegen einem Softwarefehler abgeschaltet worden wäre, wenn es ihn gebraucht hätte. Erst im Dezember 2020 wurden die fehlenden Schockabsorber bemerkt. Der Unterhalt des Reaktors durch die Axpo, und die Aufsicht durch das eigenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI, lassen zu Wünschen übrig.
Anfang Dezember 2020 musste das AKW Beznau vom Netz, weil festgestellt wurde, dass bei den zwei Notstromdieseln die Schockabsorber fehlten. Schockabsorber sind wichtig, um Schwingungen durch ein Erbeben abzufangen, aber auch Schwingungen des Motors selber, der vielleicht nicht rund läuft, sondern vibriert, aus Altersschwäche oder nachdem er bei einem vorherigen Erdbeben beschädigt wurde. Die Schockabsorber wurden in den folgenden Wochen nachgerüstet, danach ging das AKW wieder ans Netz.
Nun stellt sich heraus: Die Schockabsorber fehlen schon seit 1992, seit der Lieferung und Montage der Notstromdiesel. Weder die NOK, noch die Axpo, noch das Ensi haben das je bemerkt, bis letzten Dezember.
Wir halten also fest:
Beznau 1 lief von 1969 bis 1992 ganz ohne Notstromdiesel, weil davon ausgegangen wurde, dass nach einem GAU oder einem schweren Erdbeben das Stromnetz ganz normal funktionieren würde. Das war ein Hochseilakt ohne Netz.
Von 1992 bis Ende 2020 standen zwei Notstromdiesel dort. Einfach ohne Schockabsorber, die während und nach einem Erdbeben schmerzlich vermisst worden wären, und zu einem Ausfall der Notstromdiesel, und damit zu einem Ausfall der Reaktorkühlung geführt hätten, was zur Kernschmelze und einem GAU geführt hätte.
Aber dank einem erst 2017 entdeckten Softwarefehler wären die Notstromdiesel genau dann abgeschaltet worden, wenn sie für die Kühlung des Kernreaktors gebraucht worden wären.
Die Logik des Programms war: Nach einem Unfall schaltet man alles aus, was man nicht mehr braucht. Nach einem Unfall wären die Notstromdiesel für die Notkühlung aber genau das, was man am dringendsten braucht.
In Beznau gab es einzig deshalb nie einen GAU, weil es nie ein Erdbeben, nie eine Überschwemmung und nie einen Flugzeugabsturz gab. Denn in all den genannten Fällen hätten die Schutzmassnahmen versagt, und ein atomarer Unfall wäre unkontrollierbar geworden.
NWA fordert eine umfassende Überprüfung der Sicherheit des Reaktors Beznau 1 durch eine externe, vom ENSI unabhängige Stelle, wie beim EU-Stresstest 2012.
NWA fordert schon seit langem die umgehende Stilllegung des Reaktors Beznau 1, der für die Schweizer Stromversorgung überflüssig ist.
Die Schweiz hat 2020, nach der Stilllegung von Mühleberg, netto doppelt soviel Strom ins Ausland exportiert (5’204 GWh), wie Beznau 1 im Zehnjahresschnitt pro Jahr produziert (2’676 GWh).